LORENZ
Lorenz: Ich habe den Eindruck, dass ich an der Oberflche bleibe. Es treten viele Zerstreuungen aus dem Alltag auf. Einmal kommt mir ein Streitgespräch, das ich vor zwei Wochen gehabt habe, dann erinnere ich mich an unerledigte Aufgaben. Plötzlich steht mir ein Bild meiner Arbeit vor Augen, eine Szene von einem Verkehrsstau oder einem Vorhaben, das ich nie ausführen konnte, dann das Bild eines Freundes, den ich gerne sehen würde, oder das eines Nachbarn, der mich nervt.
EM: Du fühlst dich von alltäglichen Sorgen belästigt.
Lorenz: Ja, das ist richtig. Es sind keine übergroßen Sorgen. Sie hören aber nicht auf. Ich würde sie gar nicht Sorgen nennen, sondern vielmehr den alltäglichen und routinemäßigen Betrieb, der mir im Kopf herumgeistert.
EM: Wenn deine Gedanken dorthin tendieren heißt das, dass dein Interesse beim Alltag hängengeblieben ist.
Lorenz: Ich verstehe noch nicht ganz.
EM: Schau mal, Lorenz, das kontemplative Gebet verlangt einen vollständigen Einsatz und eine intensive Hingabe. Es verlangt nicht nur, dass du unmittelbar deine Aufmerksamkeit auf die Hände richtest, sondern dass du dein ganzes Interesse von der Außenwelt nach innen verlagerst. Das Reich Gottes ist in euch, sagt das Evangelium. Es ist notwendig, den Alltag, seine Sorgen und die Welt selbst loszulassen, um unser Interesse ganz nach innen wenden zu können.
Man muss für die Dauer der Meditation vollständig auf die Welt verzichten und sich mit ganzem Herzen, gan-zem Interesse und ganzer Absicht nach innen wenden. Wo dein Herz ist, dort ist deine Aufmerksamkeit. Vollziehst du diese Wende nicht, wirst du merken, dass deine Aufmerksamkeit dir davonluft. Du kannst deine Aufmerksamkeit tausendmal zurückbringen. Solange du aber auf die Welt nicht verzichtet hast und dein Herz noch an irgend etwas hängt, wird es dir nicht gelingen, bei der Meditation zu bleiben. Für das Reich Gottes muss man alles loslassen, wenn auch nur für eine halbe Stunde. Selbst für eine halbe Stunde ist eine radikale Wende von der Welt zu Gott notwendig. Dann wirst du in der Gegenwart bleiben können.